Vertikalisierung: Bestellen Facility Manager künftig direkt beim Hersteller?

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Viele Zwischenhändler haben mit einem Vertrauensverlust zu tun. Facility Manager und Handwerker kaufen heute lieber im Direktvertrieb beim Hersteller ein. Die Vertikalisierung gilt als Trend der Zukunft.

Vertikalisierung als Trend der Zukunft

Während in anderen Bereichen wie zum Beispiel im Einzelhandel und hier insbesondere im Textilvertrieb der Trend zur Vertikalisierung längst ein fester Bestandteil ist, setzt dieser Trend im Handwerk gerade erst ein. Hersteller und Händler haben keine festgeschriebenen Rollen mehr, vielmehr kaufen Facility Manager inzwischen lieber direkt beim Hersteller ein. Diesem vertrauen sie mehr und sind nicht selten der Meinung, dass sie dort eine verlässlichere Qualität bekommen können. Außerdem gehen sie davon aus, dass die Preise beim Hersteller niedriger sind, immerhin ist kein zusätzlicher Verkäufer mehr zwischengeschaltet.

Der Trend zur Vertikalisierung wird zusätzlich dadurch befeuert, dass die Hersteller verschiedene Untermarken schaffen. Sie haben ihre bewährte Produktlinie und bieten günstigere Marken zusätzlich an. Diese tragen einen anderen Namen, jedoch die gewohnte Qualität dieses Herstellers. Damit wird die Marktpräsenz deutlich erhöht, die Auswahl für den Kunden größer.

Die Hersteller entwickeln eigene Vertriebs- und Handelsformate, wenden sich direkt an den gewerblichen Kunden und vertreiben ihre Produkte nicht mehr nur über den Händler. Heute gilt Vertikalisierung als Trend der Zukunft und zeigt sich auch darin, dass Hersteller deutlich präsenter sind als noch vor einigen Jahren. Es gibt offene Strukturen, die die Kunden besser binden sollen, der vertikalisierte Hersteller nimmt den wichtigsten Teil in der Wertschöpfungskette ein und ist Produzent, Marketingexperte und Berater in einem. Die klassischen Machtverhältnisse zwischen allen an der Wertschöpfungskette beteiligten Unternehmen gibt es nicht mehr.

Für die verkaufenden Hersteller ist der Direktvertrieb ein Teil der Marketingstrategie.  Foto: Shutterstock: Iakov Filimonov )

Für die verkaufenden Hersteller ist der Direktvertrieb ein Teil der Marketingstrategie. ( Foto: Shutterstock- Iakov Filimonov )

Direktvertrieb als Strategie

Für die verkaufenden Hersteller ist der Direktvertrieb ein Teil der Marketingstrategie. Sie wenden sich direkt an den Endkunden, Zwischenhändler sind praktisch ausgeschaltet. Ein sehr gutes Beispiel dafür ist Würth, der als Anbieter hochwertiger Handwerkerprodukte im B2B bekannt sein dürfte. Seine Produkte sind zwar auch für Verbraucher zum Beispiel im Werkzeugfachmarkt oder im Baumarkt erhältlich und stellen dort einen Teil des höherpreisigen Sortiments dar. Würth spricht aber auch B2B Kunden an und setzt hier auf den Direktvertrieb.

Facility Manager bekommen die Möglichkeit, verschiedene Produkte vor dem Kauf zu testen, es werden Verkaufsveranstaltungen im Hause möglicher Kunden gemacht. Der Kontakt zwischen Hersteller und Kunde ist persönlich, es gibt eine umfassende Beratung und die angesprochene Testphase. Es gibt demnach für den Handwerker oder Facility Manager keinen Grund mehr, beim Händler zu kaufen, wenn er derartige Vorteile direkt beim Hersteller geboten bekommt.

Es gibt unterschiedliche Arten des Verkaufs, die alle unter die Bezeichnung „Direktvertrieb“ fallen. Dabei gibt es Hersteller-Shops und solche Anbieter, die eine bestimmte Produktmarke anbieten. Bekannte Hersteller-Shops wie

Würth (Dübel)
Weiße Ware, Zubehör

sind für viele Facility Manager erste Anlaufstelle, wenn es um den Erwerb des nötigen Werkzeugs oder Zubehörs geht. Diese Shops, die im Folgenden aufgelistet werden, bieten Heimwerkerprodukte und richten sich daher nicht explizit nur an gewerbliche Kunden:

leuchtmittelmarkt.com (Leuchtmittel)
farben-online-shop.de (Farben)
leiternshop.de (Leitern)
moertelshop.com (Mörtel)

Die letztgenannten Shops werden nicht direkt vom Hersteller betrieben. Dennoch genießen sie ein hohes Ansehen und Vertrauen seitens der Kunden und werden mit einer hohen Qualität der Produkte gleichgesetzt. Im Sinne der Vertikalisierung sind sie als Zwischenhändler zu sehen.

Vertikalisierung: Gewinn für alle Beteiligten

Die Überschrift mag nicht ganz korrekt sein, denn die Händler könnten die großen Verlierer der Vertikalisierung werden. Es ist durchaus möglich, dass es in einigen Jahren den einen oder anderen Zwischenhändler nicht mehr geben wird, weil die Kundschaft sich eher an den Hersteller richtet. Seitens der Handwerker und verantwortlicher Facility Manager ist dies jedoch durchaus verständlich, denn die Vertikalisierung birgt einige unschätzbare Vorteile.

Den Herstellern wird mit einem größeren Maß an Vertrauen begegnet, durch eine persönliche Beratung und Verkaufsveranstaltungen im Hause des Kunden werden diese besser gebunden. Auch die folgenden Vorteile sprechen für die Vertikalisierung und erklären diesen Trend:

  • starke Kundenkommunikation möglich
  • große Sortimentsbreite
  • ständige Warenverfügbarkeit
  • Hersteller werden zur ersten Anlaufstelle für Kunden
  • gutes Preis-Leistungs-Verhältnis
  • fachkundigere Beratung
  • Vor allem der letztgenannte Punkt mag durchaus ein wenig zu euphorisch gedacht sein, auch wenn er sicherlich in vielen Fällen zutreffend ist. Wenn der Hersteller einen Berater für den Außendienst beschäftigt, muss das niemand sein, der sich mit der Herstellung und mit Produkttests persönlich auskennt. Diese Person ist oft im Verkauf geschult und kennt die Produkte nur theoretisch. Sie weiß nicht aus eigener Erfahrung, wo deren Möglichkeiten und Grenzen liegen. Insofern ist die fachkundige Beratung nur dann zutreffend, wenn die Person mit den Produkten bis ins Detail vertraut ist und entsprechend geschult wurde. Ansonsten kann eine Beratung durch den Zwischenhändler ebenso kompetent sein.

    Video: Deep Dive #37: Vertikalisierung als Strategie gegen Amazon? (E-Commerce Powwow)

    Direktvertrieb nicht für alle möglich

    Während die großen Hersteller dank ihres bekannten Namens ohne Weiteres auf die Vertikalisierung setzen und gewerbliche Kunden direkt ansprechen können, sieht es für kleine Marken schwerer aus. Sie müssen nicht einmal weniger wertig sein oder einen schlechteren Service bieten. Sie leiden jedoch unter der Tatsache, dass es derzeit Onlineshops bei Neugründung sehr schwer haben. Geht ein Hersteller mit einem hochwertigen Produkt an den Start und bietet dieses selbst im hauseigenen Herstellershop an, muss ungleich mehr Marketingaufwand betrieben werden als bei einem großen, alteingesessenen Unternehmen.

    Kleine Marken sind daher oft darauf angewiesen, sich an große Verkaufsplattformen zu wenden und offerieren ihre Produkte über eBay oder Amazon. Der Kunde kann die Produkte dort kaufen, kann die Vorteile der Vertikalisierung aber nicht nutzen. Das wird nur möglich, wenn sich dieser Kunde mit seiner Kaufabsicht direkt an den Hersteller wendet. Dieser verkauft vielleicht auch direkt, einen Hersteller-Shop führt er deshalb trotzdem nicht.

    Das namhafte Unternehmen hingegen weiß, dass es seine Produkte auf jeden Fall verkaufen kann. Es versorgt einige Zwischenhändler und bietet die Produkte im Hersteller-Shop an. Bei letzterer Variante sind die beschriebenen Vorteile der Vertikalisierung nutzbar.

    Nicht nur die Hersteller stehen vor neuen Herausforderungen durch die Vertikalisierung und müssen Wege finden, um ihre Produkte zu verkaufen. (Foto: shutterstock-_Dmitry Kalinovsky )

    Nicht nur die Hersteller stehen vor neuen Herausforderungen durch die Vertikalisierung und müssen Wege finden, um ihre Produkte zu verkaufen. (Foto: shutterstock-_Dmitry Kalinovsky )

    Neue Herausforderungen für alle

    Nicht nur die Hersteller stehen vor neuen Herausforderungen durch die Vertikalisierung und müssen Wege finden, um ihre Produkte zu verkaufen. Sie bieten eigene Untermarken an und richten Verkaufsplattformen ein, überlassen aber die bisherigen Produkte weiterhin dem Vertrieb über Zwischenhändler. Die Marken konkurrieren nicht untereinander, denn jeder Verkauf kommt letzten Endes dem herstellenden Unternehmen zugute.

    Doch auch die Facility Manager müssen neben anderen Herausforderungen wie der Globalisierung und Digitalisierung der Vertikalisierung ins Auge blicken und entsprechende Maßnahmen für sich entwickeln. Dabei ist der Trend ganz klar erkennbar und immer mehr Verantwortliche kaufen direkt beim Hersteller. Bei den Handwerkern teilt sich die Menge ebenfalls und eine Hälfte ist immer noch dem Fachhandel treu, die andere Hälfte kauft bereits beim Hersteller ein.

    Die Hersteller profitieren dabei auch von einer fortschreitenden Digitalisierung. Kunden wollen einkaufen, benötigen Zubehör, Werkzeug oder Ausrüstung für ein Bauvorhaben oder ein zu betreuendes Projekt. Die Produkte sollen so schnell wie möglich vor Ort sein. Wer beim Zwischenhändler kauft, der die Waren nicht auf Lager hat, sondern sie ebenfalls erst beim Hersteller ordern muss, richtet sich auf eine längere Wartezeit ein. Warum dann nicht gleich beim Hersteller kaufen? Die Waren werden meist noch am selben Tag verschickt und können schon am nächsten Tag beim Käufer eintreffen.

    Gerade im B2B sind 24-Stunden-Lieferungen keine Seltenheit und so verwundert es nicht, dass sich der gewerbliche Käufer zuerst an den Hersteller wendet. Zudem wird direkt ersichtlich, ob die benötigten Waren auf Lager sind bzw. mit welcher Wartezeit zu rechnen ist.

    Hersteller machen sich zunutze, dass sie die Kontrolle über die Markenkommunikation behalten. Sie bestimmen, wie die Marke in der Zielgruppe wahrgenommen wird, und sind Ansprechpartner bei allen Fragen. Verbesserungsvorschläge und Kritiken seitens der Kunden kommen ebenfalls beim Hersteller an. Jeder kennt schließlich die Rezensionen, die teilweise bei Amazon oder ähnlichen Plattformen zu lesen sind und bei denen nicht das Produkt, sondern der Hersteller bewertet wird.

    Dieser hat aber von dieser Kritik nichts, denn er wird sie nicht lesen. Kommunizieren die Kunden aber direkt mit dem Hersteller, so erfährt dieser auch einiges darüber, was gut läuft und was verbesserungswürdig ist.

    Dennoch werden Hersteller auch in Zukunft nicht völlig auf die Zwischenhändler verzichten können und wollen. Auch Facility Manager werden sich künftig ebenso, wie sie sich an Hersteller wenden, auch an den Händlern orientieren. Bei Produkten, die eine Beratung nötig werden lassen, wird der Hersteller weiterhin erste Anlaufstelle bleiben. Geht es darum, etwas besonders schnell zu bekommen, besteht die Wahl zwischen Hersteller und Händler, wobei in vielen Fällen die Entscheidung zugunsten des Herstellers fallen wird.

    Wer als Facility Manager aber bisher mit seinem Händler zufrieden war, wird diesen nicht zwingend vor den Kopf stoßen, nur weil die Vertikalisierung gerade zum Trend der Branche erklärt worden ist.

    Entscheidend für die Zukunft wird die Kompetenz der Hersteller sein. Gemeint ist damit nicht die Kompetenz bei der Produktion der Produkte, sondern vielmehr das Verkaufs- und Marketingtalent. Wie gut läuft die Kundenkommunikation und was wird für die Kundenbindung getan? Viele Hersteller werden hier noch nachbessern und den Vorsprung zu den bisher häufiger genutzten Retailern aufholen müssen. Sie werden besondere Services anbieten und sich mit allen Anforderungen, die bisher nur für den Handel relevant waren, auseinandersetzen müssen.

    Doch wenn sie das schaffen, werden Hersteller den Retailern in nichts nachstehen und ebenso unverzichtbare Anlaufstellen werden. Facility Manager und Handwerker werden die freie Auswahl haben und sich für den Anbieter entscheiden, der im Einzelfall die bessere Wahl ist. Fraglich bleibt, ob eine gewisse Kundentreue dann noch vorhanden sein wird oder ob sich alles an der Beratung und am Preis-Leistungs-Verhältnis orientieren wird.

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